Episode 025 | Sophie Conte über Respekt, Terroir und Träume in Tregole
Tregole: Wo Etruskische Geschichte auf moderne Weinleidenschaft trifft
Ein Besuch bei Sophie Conte und ihrem außergewöhnlichen Weingut in der Toskana
Regen liegt in der Luft, als ich den steilen Weg hinauf nach Tregole fahre. "Going up, up, up" - so hatte ich es Sophie schon mal beschrieben, und genau so fühlt es sich auch heute an. Von Castellina aus geht es kontinuierlich bergauf, bis ich schließlich auf 520 Metern Höhe das wunderschöne Anwesen erreiche.
Eine Geschichte, die 2400 Jahre zurückreicht
"Wir sind nur ein kleines Stück in einem riesigen Puzzle", erklärt mir Sophie, während wir es uns in einem gemütlichen Raum mit Blick auf die toskanischen Hügel bequem machen. Und was für ein Puzzle das ist! Der Name Tregole stammt von den Etruskern - wir reden hier von 400 Jahren vor Christus. "Tre" für drei und "gole" für Täler - ein Hügel mit drei kleinen Tälern drumherum.
Besonders faszinierend ist die Geschichte des Wachturms aus dem Jahr 1000. Ein Mann namens Teodorico Ildebrando war hier stationiert. "Stell dir vor, wie anders das Leben 1003 war im Vergleich zu heute", meint Sophie nachdenklich. Diese Perspektive zieht sich durch unser ganzes Gespräch - der Respekt vor der Geschichte und der Wunsch, das Erbe zu bewahren, ohne es zu sehr zu verändern.
Vom Marketing zum Weingut
Sophies eigene Geschichte ist mindestens genauso spannend. Studiert hat sie Kommunikation und Marketing - nicht gerade der klassische Weg zur Winzerin. "Ich habe mich langsam für Wein interessiert“, erzählt sie. Nach einem Master in Marketing und Management für Weingüter arbeitete sie zunächst für andere Produzenten in der Region.
2014 stand die Familie vor einer wichtigen Entscheidung: Was sollte mit dem Land passieren? "Meine Mama hatte keine Ahnung, mein Bruder macht einen komplett anderen Job, und ich war bereits im Business." Die Ermutigung von Freunden und Kollegen gab den Ausschlag: "Sophie, glaub an den Ort. Du kannst hier großartige Dinge machen.“ Heute, zehn Jahre später, kann sie definitiv sagen: Sie haben recht behalten.
Das Jahr des Psychologen
Während wir ihren 2023er Chianti Classico verkosten - frisch, fruchtig und mit einer beeindruckenden Mineralität - erzählt Sophie von einem der herausforderndsten Jahre ihrer Laufbahn. "Ich nenne 2023 den Jahrgang für Psychologen", lacht sie. "Du brauchst einen wirklich klaren Kopf und viel Fokus."
Der Grund: Peronospora, ein Pilz, der europaweit für Probleme sorgte. "In Tregole waren wir es gewohnt, gegen Oidium zu kämpfen, aber nicht gegen Peronospora über eine so lange Zeit." Das Ergebnis: drastisch reduzierte Mengen, aber dafür außergewöhnliche Qualität der verbliebenen Trauben.
Sophie traf eine mutige Entscheidung: Statt wie geplant drei verschiedene Weine zu produzieren (Chianti Classico, Riserva und Gran Selezione), machte sie nur einen einzigen Chianti Classico. "Wenn du alle Weinberge von Tregole verstehen willst, dann hast du sie in dieser Flasche."
Sangiovese ist wie eine Frau
"Wenn du sie gut behandelst, ist sie nett zu dir. Wenn nicht, kann sie sehr ungemütlich werden", erklärt Sophie ihre Beziehung zu Sangiovese. Diese Rebsorte macht 100% ihrer Rotweinproduktion aus, und das bewusst. "Sangiovese ist leise und laut zugleich, voller Charakter und gleichzeitig delikat."
Die extreme Höhenlage - die Weinberge reichen bis auf 600 Meter - verleiht den Weinen eine besondere Charakteristik. "Die Weine von Tregole bleiben lange am Gaumen", beschreibt Sophie augenzwinkernd. "Sie bleiben im Zentrum des Mundes fokussiert."
Il Chicchero - der Überraschungswein
Neben den Rotweinen produziert Sophie auch etwas ganz Besonderes: Il Chicchero. Der Name stammt aus einem Kartenspiel, typisch in Siena, und bedeutet so viel wie "Ass im Ärmel" - ein Überraschungseffekt. Dieser Wein ist irgendwo zwischen Weißwein und Rosé angesiedelt, je nach Jahr mal heller, mal pinker.
"Es ist Sangiovese, 20 Tage früher als für den Chianti Classico geerntet, mit den Beeren, die die festeste Schale haben." Das Geheimnis: ganze Trauben im Tank, Druck durch das Eigengewicht, bis der erste weiße Saft austritt. "Jedes Jahr ist die Menge anders. Mal 400 Flaschen, mal 600. Es ist ein Wein, den wir zum Spaß machen."
Etiketten mit Seele
Besonders stolz ist Sophie auf ihre Etiketten - und das zu Recht. Die Geschichte dahinter zeigt ihren kreativen Ansatz: Statt mit einer Agentur zu arbeiten, versammelte sie einen Winter lang Freunde aus Design und Marketing um sich. "Wir trafen uns, tranken Wein, aßen zusammen und dachten über Tregole nach."
Das Ergebnis: eine Skizze des Hauses, die bei jedem Treffen wieder auftauchte. "Warum nutzen wir nicht das Einfachste - die Skizze?" Das Haus war schon immer auf den Etiketten, seit Beginn der Weinproduktion hier. Die verschiedenen Farben für jeden Wein machen das Design komplett.
Tradition trifft Innovation
Was mich an Sophie besonders beeindruckt, ist ihr Ansatz zur Weinbereitung. Sie arbeitet hauptsächlich mit ganzen Beeren, ohne sie zu zerdrücken. "Wenn die Tannine noch nicht ganz reif sind, halte ich sie in der Beere. Logisch, oder?" Diese Technik verleiht den Weinen mehr Fokus auf die knackigen Fruchtanteile statt auf das Fruchtfleisch.
Die Ernte findet erst Mitte Oktober statt - sehr spät für Chianti Classico, aber schlichtweg der Höhenlage geschuldet. "Unser Traum ist es, die Trauben noch am Rebstock zu haben, wenn die Blätter schon gefallen sind. Der Wein entsteht an der Rebe."
Mehr als nur Wein
Tregole ist nicht nur ein Weingut, sondern auch ein Agriturismo. Sophies Mutter führt die Gästebetreuung, während Sophie beim Wein bleibt. "Gastfreundschaft war schon immer das Hauptgeschäft des Hauses", erklärt sie. Mit 16 Schlafplätzen, Pool und Kochkursen bietet das Anwesen eine perfekte Auszeit.
"Eine Freundin sagte neulich zu mir: 'Sophie, sag nicht laut, dass du gestresst bist. Das ist nicht glaubhaft bei dem Ort, wo du lebst.'" Und tatsächlich - Tregole strahlt eine Ruhe aus, die ansteckend ist.
Ein Ort der Zukunft
Während wir den letzten Schluck des 2023ers genießen, wird mir klar: Tregole ist mehr als ein Weingut. Es ist ein Ort, wo Geschichte lebendig wird, wo Tradition und Innovation Hand in Hand gehen, und wo eine junge Frau beweist, dass Leidenschaft und Respekt vor dem Terroir die besten Zutaten für außergewöhnliche Weine sind.
Sophie Conte hat es geschafft, ein 1000 Jahre altes Erbe in die Moderne zu führen, ohne dabei seine Seele zu verlieren. Ihre Weine erzählen die Geschichte von Tregole - und das schmeckt man in jedem Schluck.
Frauenpower auf Tregole: Edith und Sophie Conte
Links, die dir weiterhelfen können
Der Wein zur Episode: 2023 Tregole Chianti Classico DOCG
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